Pressegespräch: Schachmatt für den Darmkrebs?

Anlässlich unseres 20-jährigen Bestehens zogen wir im Rahmen unserer Pressekonferenz, in Kooperation mit den Barmherzigen Schwestern Krankenhaus Wien und Experten aus dem Bereich der Darmkrebs-Vorsorge Resümee über vergangene Entwicklungen und blickten in die Zukunft der Darmkrebs-Vorsorge in Österreich.

Darmkrebs-Vorsorge in Österreich

Im Jahr 2005 wurde die Vorsorgekoloskopie für Personen ab 50 Jahren fix im österreichischen Gesundheitssystem verankert. Mittlerweile nehmen bundesweit rund 17-18% der 50+ die kostenfreie Untersuchung in Anspruch. Die Zahl der Neuerkrankungen konnte so in der Zeit von 5.000 auf ca. 4.400 pro Jahr gesenkt werden, die Todesfälle gingen von 3.500 auf 2.400 zurück.

Das Ergebnis unserer jahrelangen, kontinuierlichen Aufklärungsarbeit hat das Bewusstsein gefördert, dass man diese schwere Krankheit leicht früherkennen oder überhaupt verhindern kann. Aber es gibt noch viel Luft nach oben, um die Bevölkerung verstärkt zur Darmvorsorge zu motivieren“, erklärt Helga Thurnher, Obfrau der Selbsthilfe Darmkrebs Österreich. Die Vorsorgebereitschaft der Bevölkerung soll künftig durch ein organisiertes Screening gefördert werden. „Die positiven Ergebnisse im Burgenland und Vorarlberg beweisen, dass es möglich ist, Neuerkrankungen und Todesfälle durch die Einladung zur Darmvorsorge signifikant zu senken“, berichtet Andreas Huss MBA, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse.

Jüngere trifft Darmkrebs schwerer

Künftig soll – ähnlich wie beim Brust-Screening – als Pilotversuch auch in Wien, Tirol und Steiermark schriftlich zur Vorsorge-Untersuchung geladen werden. Andreas Huss: „Da Darmkrebs immer häufiger auch Jüngere betrifft und diese schwerer zu therapieren sind, wird sich die Einladung zum Screening an alle Versicherten ab 45 Jahren richten.“

In punkto Testmethode kann man zwischen einem immunologischen Stuhltest (FIT) im 2-Jahres-Rhythmus und einer Koloskopie (Darmspiegelung) alle 10 Jahre wählen. Ist das Ergebnis des Stuhltests positiv, muss man sich binnen weniger Wochen einer Darmspiegelung unterziehen, um die Ursache des Blutes im Stuhl eruieren zu lassen.

Immunologischer Stuhltest versus Darmspiegelung

Die Treffsicherheit der beiden Testmethoden ist nicht ganz vergleichbar. Dies wird auch durch große internationale Meta-Analysen untermauert, berichtet Univ.-Prof. Dr. Heinz Ludwig, FA für Innere Medizin/Hämatologie und intern. Onkologie und Mitbegründer der Selbsthilfe Darmkrebs Österreich.

Der immunologische Stuhltest reagiert gezielt auf menschliches Blut im Verdauungstrakt, nicht aber auf unblutige Polypen und Adenome, die eben auch bösartig werden können. Somit liegt die Wahrscheinlichkeit, dass damit Vorstufen eines Darmkrebses erkannt werden, nur bei 20-30% – Dickdarmkrebs wird in 73-88% der Fälle erkannt. Goldstandard ist nach wie vor die Darmspiegelung weil damit nicht blutende Adenome bzw. Polypen erkannt werden können. Dickdarmkrebs und dessen Vorstufen werden hiermit in 95% der Fälle erkannt. Will man größtmögliche Sicherheit haben so sollte man sich für eine Darmspiegelung entscheiden.

Bluttest als Zukunftsperspektive

Erstaunlich hohe Detektionsraten für Vorstufen von Darmtumoren – bei wenig Aufwand für die Patient:innen – erbringen mittlerweile einerseits eine Kombination des FIT mit einer DNA-Analyse des Stuhls bzw. andererseits eine einfache Blutabnahme. Prof. Heinz Ludwig: „Erst kürzlich hat die US-Arzneimittelbehörde FDA einen Bluttest als neue Früherkennungsmaßnahme zugelassen: mit dem Test wird zellfreie Tumor-DNA im Blut aufspürt. Allerdings liegt derzeit die Diagnosesicherheit mit der letztgenannten Methode noch unter jener der Vorsorge-Koloskopie, aber die Forschung geht hier rasant weiter.

Koloskopie: Vorbereitung und ärztliche Erfahrung zählen

Die Koloskopie gilt derzeit also weiterhin als Goldstandard in punkto Diagnosegenauigkeit. 80-90% der bösartigen Tumore entstehen nicht plötzlich, sondern aus Schleimhautgeschwülsten, sogenannten Polypen. „Wir appellieren daher ab dem 45. Lebensjahr und danach in regelmäßigen Abständen zur Vorsorgekoloskopie zu gehen“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Mag. Dr. Alexander Klaus FACS, Facharzt für Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie und Ärztlicher Direktor der Barmherzigen Schwestern Wien, das seit Jahren ein zertifiziertes Darmkrebszentrum anbietet, bei dem auch die Nachbetreuung einen hohen Stellenwert einnimmt. „Personalisierte Medizin und verfeinerte, roboterassistierte OP-Techniken haben in den letzten Jahren nicht nur die Überlebenschancen gesteigert, sondern auch die Lebensqualität betroffener Krebspatienten deutlich verbessern können.

In einem sind sich alle Experten einig: Es wird mittelfristig nicht gelingen, den Darmkrebs Schachmatt zu setzen. Aber das geplante Darmkrebsscreening mit dem niedrigschwelligen „Einstiegsangebot“ des Stuhltests soll und wird auch eine ganze Reihe von Menschen zur Teilnahme motivieren, die eine Vorsorge bisher gescheut haben.

Wo gescreent wird, sinkt die Sterblichkeit

Und das wird viele Leben retten: In Deutschland, wo das Darmkrebs-Screening schon seit Jahren etabliert ist, sank die Sterblichkeit durch Früherkennung bösartiger Tumore bei Männern um mehr als ein Drittel und bei Frauen um die Hälfte! Stark verminderte Zahlen an Neuerkrankungen verzeichnen auch die beiden Screening-Pioniere Burgenland und Vorarlberg. „Wir hoffen, dass sich das neue Darmkrebs-Screening ab 45 in Wien, Tirol und Steiermark ähnlich positiv auswirken und durch die Früherkennung viele Leben retten wird“, sagt Helga Thurnher, die mit ihrer Selbsthilfe-Organisation weiterhin für mehr Vorsorgebewusstsein kämpfen wird – im Sinne potenziell Betroffener und deren Angehörigen.

Zum Nachsehen

Die gesamte Pressekonferenz – inkl. Videobotschaft von Johannes Rauch, Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie Schirmherr der Selbsthilfe Darmkrebs – können Sie ab sofort auf YouTube nachsehen:
➸ Darmkrebs-Vorsorge – quo vadis?

Fotocredits: © heute / Denise Auer

Jeffrey K. Lee et al. (2014). Accuracy of fecal immunochemical tests for colorectal cancer: systematic review and meta-analysis.

Ziyang Wang et al. (2023). Diagnostic accuracy of risk assessment and fecal immunochemical test in colorectal cancer screening: Results from a population-based program and meta-analysis.