Bewegung trotz Darmkrebs?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen aktiven Lebensstil. Konkret bedeutet das, wöchentlich 150-300 Minuten moderates Ausdauertraining oder 75-100 Minuten intensives Ausdauertraining zu absolvieren. Zusätzlich wird geraten, an zwei Tagen muskelkräftigendes Training zu betreiben. Die generellen Vorteile regelmäßigen Trainings sind vielfältig – dazu zählen etwa:

  • Stärkung des Immunsystems
  • Schmerzlinderung
  • Verbesserung des mentalen Zustands
  • Verringerung des Körpergewichts

Bewegung und Krebs

Wie sieht es jedoch bei Menschen mit der Diagnose Krebs aus? Eine Krebsdiagnose bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Aktivitätsniveau auf ein Minimum reduziert werden muss – anekdotisch wird dies jedoch oft suggeriert und nicht hinterfragt oder sogar als angemessenes Verhalten während einer Krankheit betrachtet. In Großbritannien beispielsweise zeigen Daten, dass 31% der befragten Personen während oder nach einer Krebserkrankung komplett inaktiv sind.1

Auf viele Krebsarten hat Bewegung jedoch einen positiven, präventiven Einfluss. Dazu zählen beispielsweise Brust-, Gebärmutter-, Nieren-, Blasen-, Speiseröhren- und Magenkrebs sowie auch Darmkrebs. Aber auch während der Erkrankung wirkt sich Bewegung positiv aus – so ist etwa belegt, dass Aktivität die Überlebenschance bei Darm-, Brust- und Prostatakrebs positiv beeinflusst.

Halten Sie bitte mit Ihren betreuenden Onkolog:innen, Physiotherapeut:innen und ggfs. Trainer:innen Rücksprache, wie viel und welche Bewegung für Sie sinnvoll ist!

Training begleitend zur Therapie verfolgt auch das Ziel, die Nebenwirkungen zu reduzieren, die oft mit der Therapie einhergehen, und dem körperlichen Abbau bestmöglich entgegenzuwirken. Sonderfälle stellen Krebsarten dar, in denen Knochen betroffen sind oder Patient:innen an peripheren Neuropathien leiden.

Bewegung kann sich in der Therapiephase positiv auswirken auf:

  • auftretende Müdigkeit
  • verminderte allgemeine Lebensqualität
  • Angstzustände
  • physische Leistungsfähigkeit

Änderung des Lebensstils  

Der Lebensstil eines Menschen ist wichtig und beeinflusst sowohl die Entstehung von Krankheiten als auch die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv, also einen Rückfall.

Offensichtlich veränderbare Lebensstil-Risikofaktoren sind etwa der Konsum von Alkohol, Rauchen, Übergewicht, ungesunde Ernährung und mangelnde Bewegung (dazu zählen sowohl Sport als auch Bewegung im Alltag). Auch hier bedarf es Interventionen, die langfristig und für die einzelnen Personen in ihrer jeweiligen Lebensrealität funktionieren. Das bedeutet, dass sie in ihrer Methode wissenschaftlich fundiert sind und in das Leben einer Person realistisch und langfristig integrierbar sind.

Anlaufstellen sind etwa Informationsdienste wie rauchfrei.at, entsprechende Selbsthilfegruppen, Therapeut:innen, Fitnesstrainer:innen und Ärzt:innen. All diese Personen können dabei unterstützen, Ziele zu definieren, Strukturen zu erkennen und an neuen Verhaltensmustern zu arbeiten.

Mit Kontinuität zum Erfolg 

Die Lorbeeren lassen sich jedoch nur ernten, wenn man sich regelmäßig bewegt. Dieser Schritt ist oft der schwierigste. Eine der größten Herausforderungen ist die dafür zu Grunde liegende, notwendige Verhaltensänderung.

Die Erwartung, sofort dreimal pro Woche zu trainieren, ist für die Meisten nicht umsetzbar und setzt Personen nur unter Druck. Am besten ist es, sich Zwischenziele zu setzen, die zum großen Ziel – der regelmäßigen Bewegung – führen. Selbstkontrolle mittels eines Trainingstagebuchs, das Definieren von Zielen und Zwischenzielen sowie soziale Unterstützung (von Trainingspartner:innen oder Freund:innen und Familie) können das Verhalten langfristig positiv beeinflussen.

Das Wichtigste ist es,
einen Sport zu finden,
der einem Spaß macht.

Die Vorstellungen von langweiligen, monotonen Trainingsmethoden gehören aus dem Kopf verbannt. Wenn es hilft, in einer Gruppe zu trainieren, sind Gruppenstunden wie Zumba oder angepasste Krafttrainingseinheiten unter Gleichgesinnten genau das Richtige. Trainiert man gerne in einem ruhigen Setting unter professioneller Aufsicht, ist ein kleineres Personal Training Studio die richtige Wahl. Schwimmt man leidenschaftlich gern, sollte man sich eine Möglichkeit suchen, dies auch zu tun.

Wie oft und wie viel trainiert werden sollte, gilt es im Einzelfall zu bestimmen. Regelmäßiges Feedback mit Fachpersonal hilft zudem, Struktur in den Trainingsprozess zu bekommen. Auf aktuelle Therapiebedingte Entwicklungen und Zustände, die deutlich die tägliche/wöchentliche Leistungsfähigkeit beeinflussen, gilt es zu achten und selbstregulierend zu intervenieren. 

Es ist an der Zeit, dass alle im Gesundheitsbereich tätigen Personen, die Patient:innen begleiten, an einem Strang ziehen und ein Bewusstsein für die positiven Aspekte körperlicher Betätigung schaffen und Betroffenen lehren, diese wie ein Werkzeug zu nutzen. 

Gesundheitsfördernde Interventionen sind essentiell zur Prävention und Unterstützung bei Krankheiten. Die wissenschaftliche Evidenz zeigt deutlich die Vorteile von Training vor, während und nach der Krebstherapie.2-3 Ein interdisziplinäres Team kann Patient:innen hierbei – zusätzlich zur medizinischen Behandlung – von Ernährung bis hin zu Sport und Bewegung unterstützen und fördern.

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Wir bedanken uns herzlich bei unserem Gastautor Marc Yu diesen Artikel.

Über den Autor:
Marc Yu, BSc ist ist Personal und Athletik Trainer, Ernährungscoach und Mitgründer der Health Initiative Austria. Seit 2014 führt er sein Gym YuPerformance in Wien und hält Ernährungs- sowie Trainings-Vorträge für Sportler:innen und Laien.

1 UK Department of Health, 2012. Quality of life of cancer survivors in England – report on a pilot survey using Patient Reported Outcome Measures (PROMS).
2 Campbell et al, 2019. Exercise Guidelines for Cancer Survivors: Consensus Statement from International Multidisciplinary Roundtable.
3 Schmitz et al, 2019. Exercise is medicine in oncology: Engaging clinicians to help patients move through cancer.