Neue Medikamente in der Darmkrebstherapie

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Erstellt am 09.02.2014 von Redaktion
Pillen

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Neben der meist notwendigen Operation gibt es heute schon eine Vielzahl von Chemotherapien, die gut vertragen werden.

Neue Hoffnung – neue Herausforderungen

In der Behandlung von Darmkrebs wurden in den vergangenen 15 Jahren enorme Fortschritte erzielt. Beispielsweise kann heute bereits ein Drittel jener Patienten, die vor zehn Jahren noch als unheilbar galten, mit dem Ziel einer dauerhaften Heilung behandelt werden. Aber auch jene Patienten, bei denen keine Heilung möglich ist, leben deutlich länger als früher.

Zu den neuen Medikamenten zählen moderne Chemotherapeutika-Infusionen wie Irinotecan und Oxaliplatin, das orale (Tablette) Medikament Capecitabine (Xeloda®) sowie die zielgerichteten Medikamente Cetuximab (Erbitux®), Bevacizumab (Avastin®), Panitumumab (Vectibix®) und Aflibercept (Zaltrap®). In Kürze wird mit der Zulassung eines weiteren neuen Medikaments in Tablettenform (Regorafenib = Stivarga®) gerechnet.

Seit der Jahrtausendwende wurden wertvolle Erkenntnisse über die optimale Abfolge sowie die ideale Kombination der zur Verfügung stehenden Medikamente gewonnen, die zu einer deutlichen Lebensverlängerung und Verbesserung der Heilungsraten geführt haben.

Rückblick und aktueller Standard

Bis zu den späten 1990iger Jahren stand mit 5-Fluorouracil (5-FU) nur ein einziges Medikament zur Verfügung, das sowohl adjuvant nach einer Operation als auch palliativ bei Vorliegen von Metastasen verwendet wurde. Die erste große Studie, die zeigte, dass durch den Einsatz einer adjuvanten Chemotherapie für 6 Monate die Heilungsraten signifikant verbessert werden können, erschien im Jahr 1995.

In den aktuellen Studien waren beinahe 3/4 der Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs nach Operation und 6-monatiger Chemotherapie nach 3 Jahren noch tumorfrei. Die Standardtherapie nach erfolgreicher Operation (= adjuvante Therapie) sind 6 Monate Chemotherapie mit 5-FU oder Capecitabine +/- Oxaliplatin. Die zielgerichteten Medikamente haben sich in der adjuvanten Therapie bislang als wirkungslos erwiesen.

Noch beachtlicher waren die Fortschritte in der Behandlung von Patienten mit einem in die Leber metastasierten Darmkrebs, die vor 20 Jahren als nicht behandelbar galten und eine Lebenserwartung von weniger als einem Jahr hatten. Durch moderne interdisziplinäre Behandlungskonzepte – d.h. optimale medikamentöse Therapie gefolgt von chirurgischer Entfernung der Metastasen – können heute etwa 30% der Patienten dauerhaft geheilt werden. Für die Behandlung des metastasierten Darmkrebses (= palliative Chemotherapie) stehen nun 4 Chemotherapeutika und 4 (in Kürze 5) zielgerichtete Medikamente zur Verfügung, die häufig miteinander kombiniert werden. Dadurch ergeben sich zahlreiche verschiedene Therapieprotokolle.

In Abhängigkeit vom angestrebten Therapieziel und der Präferenz des Patienten (Tabletten oder Infusion) wird das optimale Schema individuell gewählt.

Grundsätzlich gilt, dass eine Kombinationschemotherapie (z.B. Folfox/Xelox oder Folfiri/Xeliri) mit einem Antikörper (Bevacizumab, Cetuximab, Panitumumab, Aflibercept) immer dann zum Einsatz kommen sollte, wenn eine Tumorverkleinerung realisiert werden soll. Bei symptomfreiem Krankheitsverlauf oder für Patienten mit Begleiterkrankungen sollte eine 5-FU oder Capecitabine-Monotherapie idealerweise in Kombination mit Bevacizumab angeboten werden.

Personalisierte Medizin: Zukunft oder bereits Realität?

Im Gegensatz zur Chemotherapie, die – sehr vereinfacht gesagt – nur Zellen zerstört, die sich rasch vermehren, sind zielgerichtete Medikamente auf bestimmte Merkmale an und in der Krebszelle oder sogenannte Krebsbotenstoffe fokussiert. Diese Medikamente wirken natürlich nur dann, wenn die entsprechenden Tumormerkmale vorhanden sind. Die Bestimmung dieser Biomarker ist die Basis einer personalisierten Therapie. Biomarker und Tumormerkmale werden im Tumorgewebe durch den Pathologen bzw. in spezialisierten Labors analysiert. Neuartige Chiptechnologien erlauben in Zukunft ein sogenanntes genetisches Profiling des Tumors. Die Analyse von Biomarkern kann aus dem Gewebe, das im Rahmen einer Feinnadelbiopsie (Probeentnahme) gewonnen wurde oder aus einer früheren Tumoroperation stammt, erfolgen.

Für die Planung einer medikamentösen Therapie gegen Darmkrebs ist aus heutiger Sicht nur die Bestimmung des sogenannten KRAS-Mutationsstatus („Wildtyp“ oder „mutiert“) erforderlich.
Tumorpatienten mit mutiertem KRAS profitieren nicht von einer Behandlung mit den Antikörpern Cetuximab und Panitumumab. Die übrigen zielgerichteten Medikamente gegen Darmkrebs wie Bevacizumab, Aflibercept und Regorafenib blockieren die Angiogenese bzw. die Neubildung von Blutgefäßen zum Tumor – so wird der Tumor von der Zufuhr von Sauerstoff und Nährstoffen abgeschnitten. Vor der Behandlung mit einem Angiogenese-Hemmer ist keine Biomarkeranalyse erforderlich, da der entsprechende Signalstoff – das VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) – von allen Tumoren ausgeschüttet wird. Angiogenese-Hemmer können auch in der Behandlung von KRAS-mutiertem Darmkrebs eingesetzt werden.

Tumorboards

In den vergangenen Jahren haben sich in allen großen Tumorzentren so genannte Tumorboards etabliert. Zumindest 4 Fachärzte (Chirurg, Onkologe, Strahlentherapeut und Radiologe), eine Schreibkraft und der „Case Manager“ müssen dafür anwesend sein. Das Ziel ist die interdisziplinäre Therapieplanung vor Behandlungsbeginn – sowie idealerweise auch im Laufe einer medikamentösen Therapie – auf Basis internationaler Leitlinien.

Ausblick

Durch die Verfügbarkeit moderner Medikamente ist Darmkrebs auch im fortgeschrittenen Stadium eine gut behandelbare Erkrankung geworden. Etwa 30% der Patienten, deren Darmkrebs bereits in die Leber metastasiert ist, können dauerhaft geheilt werden. Voraussetzung für optimale Behandlungsergebnisse sind interdisziplinäre Therapiekonzepte, die an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst sind. Die Bestimmung des derzeit einzig wichtigen Biomarker „KRAS“ (mutiert oder „Wildtyp“) sollte bereits vor Beginn einer palliativen Therapie erfolgen.

 

Univ. Prof. Dr. Gabriela Kornek

Universitätsklinik f. Innere Medizin I
Medizinische Universität – Allgemeines Krankenhaus Wien
Präsidentin von Leben-mit-Krebs
Kursleiterin der Cancer School des Comprehensive Cancer Center